Die Salzburger Festspiele gelten als das weltweit bedeutendste Festival der klassischen Musik und darstellenden Kunst.[1] Sie finden seit 1920 jeden Sommer im Juli und August in Salzburg statt. Markenzeichen der Festspiele sind der Jedermann auf dem Domplatz, exemplarische Mozart- und Strauss-Aufführungen, sowie ein vielfältiges und hochkarätiges Schauspiel-, Opern- und Konzert-Programm. Alljährlich werden in den sechs Festspielwochen mehr als 200 Veranstaltungen von mehr als 250.000 Gästen besucht.
Gründung der Festspiele
Die Liebe zu Festen und zum Theater hat in Salzburg Tradition. Schon im Mittelalter wurden große Mysterienspiele aufgeführt und es gab Kostümfeste, die mehrere Tage dauerten. Die erste Oper nördlich der Alpen soll in Salzburg aufgeführt worden sein, im Salzburger Dom waren opulente Messen und Oratorien fest im Jahreszyklus verankert. 1613 gab Fürsterzbischof Markus Sittikus die Hellbrunner Wasserspiele in Auftrag, die heute noch das Publikum entzücken. An der Salzburger Universität wurden unter großer Anteilnahme der Bevölkerung Dramen und Singspiele aufgeführt. Zwar machte Fürsterzbischof Colloredo, der rigide kirchliche und weltliche Machthaber der Mozart-Zeit, manchem Treiben ein Ende, ließ viele Bräuche verbieten und stellte zahlreiche Feiern ein. Doch kam es nach seinem Tod zum Wiederaufleben zahlreicher Lustbarkeiten und es begann die Mozart-Verehrung mit Mozart-Festen und -Umzügen. Die Begründung der Bayreuther Festspiele im Jahr 1876 und das 100-Jahr-Jubiläum des Don Giovanni im Jahr 1887 förderten Wiener und Salzburger Bemühungen um ein Festival, welches dem genius loci gewidmet sein sollte. „Einige der Proponenten waren durchaus deutschnational, viele Anregungen stammten auch aus der Mozart-Gemeinde in Wien. Doch der Krieg kam dazwischen, auf die Monarchie folgte die Republik Österreich.“[3]
Max Reinhardt (1873–1943), dessen Karriere als Schauspieler 1893 am Stadttheater Salzburg begonnen und der ab 1901 in Berlin ein veritables Theaterimperium aufgebaut hatte, wurde ab 1904 vom Dramatiker Hermann Bahr (1863–1934) in dessen Planungen für Salzburger Feste einbezogen.[4] Schon damals war der Domplatz als Spielstätte geplant, Anna Mildenburg sollte Opern inszenieren, Reinhardt Theaterstücke. Die Pläne scheiterten, wie schon mehrfach zuvor, an der fehlenden Finanzierung.
Nachdem Reinhardt im Jahr 1918 das Schloss Leopoldskron erworben hatte und sich jeden Sommer in Salzburg aufhielt, konkretisierten sich die Planungen. Gemeinsam mit Hugo von Hofmannsthal (1874–1929) konzipierte er bereits im September desselben Jahres ein Projekt „des bayrisch-österreichischen Stammes“ als Antipode zum preußischen: „das, was in Bayreuth, gruppiert um ein norddeutsches Individuum, Wagner, geübt wird, hier um ein ungleich komplexeres und höheres Zentrum, die Kunst Österreichs, herumzubauen…“.[3] Damit war der Gegensatz der beiden Festspielideen schon programmatisch festgeschrieben: Bayreuth (a) hoch exklusiv, (b) ein Haus, ein Komponist, alles allein auf dessen Werk zentriert, (c) davon aber auch nur die zehn Greatest Hits (folglich doppelte Exklusivität). Salzburg hingegen (a) inklusiv, (b) mit drei Achsen: Schauspiel, Oper, Konzert, heute in drei Festspielhäusern und auf zahlreichen weiteren Plätzen der Stadt, Konzertsälen, Kirchen und Bühnen, im Freien und in geschlossenen Räumen, (c) offen für Neues, aber stets im Ringen darum, ob das Gezeigte dem hohen Qualitätsanspruch Genüge tut. Zwei Welten also, wiewohl das Grundbestreben beider Festivals das Feiern des Fests zu Ehren eines Komponisten war, die Beförderung des Weihevollen, Eindrucksvollen, Erhabenen. Beide Konzepte funktionieren offenbar exzellent.
Die Opernproduktionen der Salzburger Festspiele waren über weite Strecken des 20. Jahrhunderts und sind heute noch stilbildend. Die Oper stellt in Salzburg – als Gesamtkunstwerk – den primus inter pares in der Trias Schauspiel, Oper und Konzert dar. Nahezu alle weltweit bedeutenden Dirigenten haben in Salzburg gearbeitet, ebenso die meisten der herausragendsten Sänger, Regisseure, Bühnen- und Kostümbildner. Viele der Aufführungen sind als Tondokumente oder Fernsehmitschnitte für die Nachwelt erhalten.
Der Salzburger Schwerpunkt liegt durchgehend auf Opern von Mozart und Richard Strauss, auf zeitgenössischen Werken, sowie den Festspielopern Orfeo ed Euridice, Fidelio, Don Carlos und Falstaff. Das Mozart-Repertoire beschränkt sich in Salzburg nicht auf die drei da-Ponte-Opern, Die Entführung aus dem Serail und Die Zauberflöte, sondern beinhaltet auch die seltener gespielten Werke. Die erste Opernaufführung der Festspiele war der Don Giovanni unter der musikalischen Leitung von Richard Strauss am 14. August 1922 – ein Gastspiel der Wiener Staatsoper im Salzburger Landestheater. Dank der Wiener Philharmoniker, die in Salzburg alljährlich in erster Besetzung vier bis fünf Opernproduktionen spielen, sind die Interpretationen der Mozart- und Strauss-Opern von exzeptioneller orchestraler Qualität.
Das Salzburger Repertoire wurde – zuerst durch Bruno Walter, Arturo Toscanini und Karl Böhm, schließlich durch Herbert von Karajan – schrittweise erweitert: Walter dirigierte erstmals bei den Salzburger Festspielen Opern von Richard Wagner und Hugo Wolf, Gluck und Donizetti. Toscanini etablierte 1935 Falstaff als genuine Salzburger Festspieloper. Böhm stellte 1951 und 1971 Alban Bergs damals kaum gespielte Oper Wozzeck vor, somit einen Exponenten der Zwölftontechnik. Karajan schließlich popularisierte mit einer breiten Palette weiterer Verdi-Opern, mit Puccinis Tosca und Bizets Carmen das Programm.
Die Frühwerke der Oper und das Barock haben recht früh ihren Platz im Salzburger Spielplan gefunden. Gluck wird in Salzburg seit 1930 und Händel seit 1984 szenisch aufgeführt. In den Jahren 1968 bis 1973 erfreute sich Cavalieris selten gespielte Rappresentazione di anima et di Corpo in einer Modellinszenierung von Graf/Colosanti/Moore höchsten Publikumsinteresses. 1971, 1985 und 1993 wurden alle erhaltenen Monteverdi-Opern in Salzburg vorgestellt.
Im Laufe der Zeit haben die Salzburger Festspiele mit nahezu allen großen Opernhäusern der Welt (Wiener Staatsoper, Scala, La Fenice, Opéra de la Bastille, La Monnaie, Metropolitan Opera, Mariinski-Theater) und einigen wichtigen Festivals (Aix-en-Provence, Maggio Musicale Fiorentino) kooperiert. Zumeist wurden diese Co-Produktionen in Salzburg erarbeitet und waren oft noch viele Jahre später an wichtigen Opernhäusern zu sehen wie zum Beispiel Robert Wilsons exemplarische Pelléas-et-Mélisande-Inszenierung aus dem Jahr 1997, die gemeinsam mit der Operá de Paris produziert und noch im Jahr 2012 in Madrid und Barcelona aufgeführt wurde. 2014 stand neben der Uraufführung der Oper Charlotte Salomon von Marc-André Dalbavie auch La Cenerentola, ein neuer Don Giovanni und ein neuer Rosenkavalier auf dem Programm. Außerdem wurden Il trovatore (mit Anna Netrebko und Plácido Domingo) und – erstmals in Salzburg – Schuberts Fierrabras (in einer Peter-Stein-Inszenierung) gegeben.
Die Konzerte der Salzburger Festspiele stellen seit 1921 eine wichtige Säule des Festivals dar. Initiiert von Bernhard Paumgartner, dem späteren Präsidenten der Festspiele, fanden damals vier Orchesterkonzerte, drei Kammerkonzerte, eine Serenade und ein Konzert geistlicher Musik statt. Seit 1925 werden auch Liederabende, seit 1926 auch Solistenkonzerte veranstaltet. Seit 1927 zählt Mozarts c-Moll-Messe in der Stiftskirche St. Peter zu den Fixpunkten der Festspiele, seit 1949 auch die Mozart-Matineen im Mozarteum, beide wiederum von Bernhard Paumgartner initiiert.
Zentral sind die großen Orchesterkonzerte, oft auch mit Chören, Gesangs- oder Instrumentalsolisten. Die Wiener Philharmoniker bestreiten seit 1922 die Mehrzahl der Orchesterkonzerte und eröffnen auch alljährlich das Konzertprogramm. Wichtiges Charakteristikum der Salzburger Festspiele ist der Qualitätsanspruch bei Dirigenten und Solisten. Seit Ende der 1950er Jahre gastieren auch regelmäßig die besten Orchester aus ganz Europa, Nord- und Südamerika, Israel und Japan in Salzburg, zuerst die Berliner Philharmoniker, das Concertgebouworkest Amsterdam und das New York Philharmonic Orchestra, schließlich sämtliche weiteren namhaften Orchester der Welt. Gegenwärtig sind in einem Sommer zwischen zehn und fünfzehn Orchester in Salzburg zu hören, darunter auch führende Jugendorchester, Kammerorchester und Barockensembles, sowie auf zeitgenössische Musik spezialisierte Orchester und Musikervereinigungen.
Im Jahr 2012 hat der damalige Intendant Alexander Pereira die Ouverture spirituelle begründet, eine Konzertreihe mit geistlicher Musik verschiedener Konfessionen als Vorprogramm der eigentlichen Festspiele. 2013 gastierte das venezolanische Musikprojekt El Sistema mit vier Orchestern, einem Blechbläserensemble, zwei Chören und einem Streichquartett in Salzburg, El Sistema musizierte bei der Eröffnungsfeier, in zehn Konzerten und einer Kinderkonzertprobe. 2013 wurden sämtliche Symphonien Mahlers aufgeführt, 2014 standen alle neun Symphonien Bruckners auf dem Programm.