Das Jokhang-Kloster hegt 1 km östlich vom Potala-Palast und ist das älteste Gebäude der Stadt Lhasa. Es hat eine Geschichte von nahezu 1400 Jahren. 1961 wurde es ah eine der wichtigsten Kulturstätten unter staatlichen Denkmalschutz gestellt. Im November 2000 wurde es von der UNESCO in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. 2001 wurde es vom Staatlichen Amt für Tourismus als touristische Stätte der Kategorie AAAA eingestuft.
Das Jokhang-Kloster wurde im Jahr 647, dem 21. Jahr unter der Regierungsdevise Zhenguan in der Tang-Dynastie, erstmals gebaut. Tibetischen Geschichtsbüchern zufolge rissen aber Katastrophen und sonstiges Unheil nicht ab, bis endlich die Tubo-Dynastie ihren Sitz nach Lhasa verlegte. Die berühmte Prinzessin Wencheng, die sich in Astrologie und Geomantik gut auskannte, legte durch Sternbeobachtung den Ort fest und stellte zugleich einen Plan auf, wonach ein See zuzuschütten war, um dann ein Kloster darauf zu bauen. So könnten Dämone besiegt und böse Geister vertrieben werden. Sontsan Gampo folgte dem Plan. Dazu wurden aus der im Norden liegenden Region Pengbo weiße Ziegen für den Transport der Erdmassen geholt. Der Ort erhielt deswegen den Namen „Rasa" (Ort von Ziegen). In chinesischen Geschichtsbüchern heißt er „luoxie" oder „luosuo"; Lhasa, der spätere Ortsname, wurde von „Rasa" abgeleitet. In Geschichtsbüchern ist Nachzulesen, dass das Kloster nach seiner Fertigstellung zunächst nur acht Hallen hatte, darunter die Halle zur Aufbewahrung von Sutras und die Buddhahalle. In der Zeit der Tubo-Dynastie gab es sehr hart geführte Auseinandersetzungen zwischen den buddhistischen Mönchen und den Anhängern der Bon-Religion. Auch in späteren Perioden fanden vielfach gewaltsame und blutige Machtwechsel in Lhasa statt, bei denen u.a. auch das Jokhang-Kloster oft beschädigt wurde. In der Yuan- und Ming-Dynastie, insbesondere seit 1409, wurde es wiederholt auf- und ausgebaut, wodurch es den heutigen Umfang erhielt.
Das Jokhang-Kloster ist auf einer Ost-West-Achse errichtet. Die Gebäude wurden grundsätzlich entlang dieser Linie erbaut; es sind Tortürme, Buddhahallen, Wandelgänge, Brunnen, Dachfenster, Gärten und Wohnzellen für buddhistische Mönche. Die Klosteranlage ist 25 100 m2 groß. Die ersten beiden Stockwerke sind noch Originalbauten aus der Tang-Dynastie. Die höheren Stockwerke, die angebauten Hallen und sonstige Bauerweiterungen dagegen stammen aus der Zeit nach dem 11. Jahrhundert. Die Buddhahalle ist das Hauptgebäude des Klosters. Sie hat vier Stockwerke und gilt als achitektonisch bedeutendster Bau des Klosters. In der Mitte sieht man ein breites Dachfenster. Die Haupträume liegen in der Haupt- wie in der Nebenhalle im Erdgeschoss. Die Haupthalle liegt im Zentrum der Anlage. Darin befindet sich eine 1,5 m hohe, vergoldete Bronzestatue des 12-jährigen Schakjamuni, die von Prinzessin Wencheng von Chang'an nach Tibet mitgebracht wurde. Die Statue stand ursprünglich im Kloster Ramoche. Prinzessin Jincheng hatte sie dann hierher gebracht, um so die hervorragende Stellung des Jokhang-Klosters zu unterstreichen. Viele Gläubige, die trotz strapaziöser Reisen über große Entfernungen zum Kloster kommen, wollen gerade vor dieser Statue beten. Links und rechts neben der Haupthalle stehen die Qamba-Halle und die Halle des großen Lichts. Zu beiden Seiten der Achsenlinie stehen Figuren als Verkörperungen Schakjamunis; auf der linken Seite steht die Statue des waffentragenden Wächters Buddhas, auf der rechten die Statue der Gottheit der Barmherzigkeit mit ihren tausend Händen. Außer Haupt- und Nebenhallen gibt es Dutzende von Toren. Besonders zu erwähnen ist ein Raum im 2. Stock auf der westlichen Seite. Darin sind lebendig wirkende Figuren von Songtsan Gampo, Prinzessin Wencheng, Prinzessin Chizun und dem berühmten Gesandten der Tubo-Dynastie, Gar Dongtsan, sowie dem Erfinder der tibetischen Schriftzeichen, Thonmi Sambhota, zu bewundern. Außerdem werden dort verschiedene Gebrauchsgegenstände der Tubo-Dynastie aufbewahrt. Um die Buddhahalle sind Wandelgänge gebaut, die man in mittlere und innere Wandelgänge einteilt. Bronzene Nyima-Drehmühlen sind dort nebenaneinder aufgereiht, die Wände der Wandelgänge sind mit Malereien versehen. Es werden Motive aus der Geschichte der Tubo-Dynastie sowie buddhistische Sagen und Legenden dargestellt. Erwähnenswert sind zwei Wandmalereien in der Haupthalle: der Einzug der Prinzessin Wencheng in Tibet und das Zuschütten des Sees und der nachfolgende Bau des Klosters darauf. Diese Malereien sind für die kunstgeschichtliche Forschung sowie für die Erforschung der gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung des tibetischen Altertums von großem Wert.
Der Baustil der Gebäude des Jokhang-Klosters ist eine Verschmelzung klassischer chinesischer und tibetischer Baukunst. Außerdem wurden Elemente der nepalesischen und indischen Baukunst übernommen. Die Dächer sind mit vergoldeten Dachziegeln und goldenen Tierfiguren versehen. Die Balkenkonstruktion erinnert an den Baustil des Landesinneren, weist jedoch geschickte Varianten auf. Reliefs und bunte Bemalungen verschiedener Menschen- und Tierfiguren sowie Pflanzenmotive schmücken Säulen, Balken, Türrahmen und Dachvorsprünge. Auf den Dächern sind noch jene 108 Tierfiguren zu sehen, die eine besondere symbolische Bedeutung haben.
Das Kloster stellt eine harmonische Vereinigung verschiedener Kulturelemente dar und hebt die architektonische Virtuosität der tibetischen Baumeister hervor, die ein so imposantes, prächtiges, und zugleich würdig ernstes Sakralbauwerk geschaffen haben. Das Jokhang-Kloster ist ein klassisches Beispiel für die tibetische Architektur und wirkt auf die Besucher überwältigend.
Das Jokhang-Kloster besitzt zahlreiche Kulturgegenstände und Kunstschätze. Die wichtigsten seien hier genannt. Da sind zunächst zahlreiche Bronzefiguren. Manche stammen aus der Tang-Dynastie und tragen die künstlerischen Zeichen ihrer Zeit; manche sind mit historischen Aufzeichnungen versehen und stammen aus der Ming-Dynastie. Unter zahlreichen wertvollen Tangkas (tibetischen Wandteppichen) sind zwei besonders berühmt: auf dem einen ist der waffentragende Wächter Shengle, auf dem anderen der waffentragende Wächter Daweide dargestellt. Dies waren Geschenke des Kaisers Yongle der Ming-Dynastie, die mit je einer kaiserlichen Inschrift versehen waren. Die beiden Wandteppiche sind mit bunten und goldenen Fäden durchwirkt, zeugen von den vorzüglichen Techniken der Webarbeiten und zeigen heute noch einen frischen Glanz. Im Jokhang-Kloster wird die 108-bändige Litang-Ausgabe des Tripitaka aufbewahrt, die rot gedruckten Texte sind in einer Edelholzkiste verpackt. Außerdem wird dort auch die von Qing-Kaiser Qianlong gestiftete Losurne aufbewahrt, aus der traditionell die Namen des Dalai Lama und des Panchen Erdeni gezogen werden.
Es gab zuerst das Jokhang-Kloster, dann entstand die Stadt Lhasa. Um das Kloster als den Mittelpunkt wurden im Lauf der Zeit Straßen angelegt und Häuser gebaut. Die Stadtgebiete sind ebenfalls um das Jokhang-Kloster errichtet. Das Jokhang-Kloster und seine geschützte Umgebung mit einer Gesamtfläche von 75 000 m2 sind offziell in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. Damit werden auch Stadtteile von Lhasa erfasst. In diesen Stadtteilen gibt es mehr als 100 bedeutende Kulturstätten.
Vor dem Haupteingang des Jokhang-Klosters steht die berühmte Gedenktafel für das Bündnis von Tang- und Tubo-Dynastie, auch Gedenktafel für das „Onkel-Neffe-Bündnis" genannt. Sie wurde im Jahr 823, im 3. Jahr unter der Regierungsdevise Changqing, aufgestellt und ist 5,6 m hoch. Sie hat eine Dachkonstruktion und ruht auf einer steinernen Schildkröte. Auf der länglichen Stele ist der Text des Bündnisdokumentes in chinesischer und tibetischer Sprache eingemeißelt. Darauf ist noch zu lesen, dass ein Bündnis zwischen Tang-Kaiser Muzong und Trizu Detsan, dem Führer der Tubo-Dynastie, geschlossen wurde: „Neffe und Onkel beraten über die Herrschaft vereint und schließen in großer Harmonie ein Bündnis". Außerdem sind darauf die Namen der an der Bündnisschließung beteiligten Beamten sowie der gemeinsame Wunsch der Tang-Dynastie und der Tubo-Herrschaft für die Familienvereinigung eingraviert. Diese Steintafel ist ein historisches Zeugnis für die tiefen freundschaftlichen Beziehungen zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen unseres Landes.
Einige Meter südlich der Gedenktafel für die Bündnisschließung stehen noch zwei Steintafeln. Die eine ist die Steintafel der „ewigen Befolgung", die vom Minister für tibetische Angelegenheiten der Qing-Dynastie im März 1794 aufgestellt wurde, die andere hat keine Inschrift und wurde von der Gestalt her vermutlich in der Ming-Dynastie aufgestellt.
Hinter der Steinbalustrade der Gedenktafel steht eine alte Weide, die einer Überlieferung zufolge von der Prinzessin Wencheng eigenhändig gepflanzt wurde. Man nennt diese Weide auch die „Weide der Tang-Dynastie" oder die „Weide der Prinzessin".